Krafttraining für die Lunge

Seit Jahren befasst sich die Wissenschaft mit der Frage, welchen Effekt ein Atemmuskeltraining bei verschiedenen Lungenerkrankungen hat und wie mit diesem Training Krankheitssymptome gelindert werden können. Bei welchen Erkrankungen sind die Effekte des Atemmuskeltrainings am besten erforscht und welche Arten von Atemmuskeltraining gibt es?

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD ist weltweit die dritthäufigste Todesursache. Allein in Deutschland waren 2010 rund 6,8 Millionen Menschen an COPD erkrankt. Bis 2030 ist ein Anstieg auf 7,9 Millionen Menschen zu erwarten. Weltweit rechnet die WHO mit 251 Millionen Betroffenen. Die Forschung befasst sich seit Langem mit COPD, jedoch ist trotz intensiver Bemühungen eine Heilung bis heute nicht möglich. Hauptursache für diese Erkrankung bleibt das Einatmen von Schadstoffen über einen längeren Zeitraum. Dies betrifft somit vor allem Raucher, aber auch Personen, die berufsbedingt solchen Schadstoffen exponiert sind, wie Maler, Schreiner oder Landwirte. Bemerkbar macht sich COPD vorwiegend durch Atmungsprobleme Husten und Auswurf.

COPD

Nach Definition der WHO ist die COPD eine Lungenerkrankung, die durch eine chronische Atemwegsobstruktion mit eingeschränktem Airflow gekennzeichnet ist, welche die normale Atmung beeinträchtigt und nicht völlig reversibel ist. Die Diagnose erfolgt durch Spirometrie. Hauptsymptome sind chronischer Husten, Auswurf, Atemnot und Engegefühl in der Brust.

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Aufgrund der Unheilbarkeit dieser Krankheit liegt der Fokus auf einer Therapie, mit der das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten werden kann und die Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit der Betroffenen im Vordergrund steht. Neben der medikamentösen Behandlung zur Erweiterung der Atemwege ist immer auch das Verhalten der Betroffenen entscheidend für einen positiven Verlauf der Therapie. Rauchstopp, körperliche Aktivität und eine Atemtherapie sind wichtige Bausteine einer erfolgreichen COPD-Behandlung.

Einatmen von Schadstoffen über einen längeren Zeitraum bleibt Hauptursache für Lungenerkrankungen. Foto: P. Meier/Unsplash
Atemmuskeltraining

Bestandteil der Atemtherapie ist auch das Atemmuskeltraining. Vereinfacht ausgedrückt, baut das Atemmuskeltraining bei COPD-Patienten auf folgender Annahme auf: Durch eine gestärkte Atemmuskulatur – vorwiegend Zwerchfell und Zwischenrippenmuskulatur – soll die Verengung der Atemwege und die Schädigung der Lungenlappen kompensiert werden. Da gerade die Einatmung ein limitierender Faktor ist, liegt der Fokus auf dem Training der inspiratorischen Kraft. Eine Verbesserung im exspiratorischen Bereich erleichtert zudem das Abhusten von Schleim, was auch von großer Bedeutung für das Wohlbefinden von COPD-Betroffenen ist.

Das Training wird mit speziell dafür entwickelten Gerätschaften durchgeführt, wobei zwischen zwei Haupttrainingsformen unterschieden wird: zum einen dem Atemkrafttraining, bei dem gegen einen erhöhten Widerstand ein- und ausgeatmet wird, zum anderen dem Atemausdauertraining mit großem Atemminutenvolumen, bei dem über einen längeren Zeitraum mithilfe einer kontrollierten CO₂-Rückatmung trainiert wird (sog. normokapnische Hyperpnoe), wodurch die Ausdauerleistung und die Belastbarkeit der Atemmuskulatur verbessert werden. Es gibt auch Geräte, die beide Formen des Atemmuskeltrainings kombinieren.

Überzeugende Resultate bei COPD

Bereits seit Jahrzehnten belegt ist die Tatsache, dass sich die Kraft und die Ausdauer der Atemmuskeln verbessern lassen (Leith and Bradley, 1976). Wie bei jeder anderen quergestreiften Muskulatur lassen sich mit den erwähnten Geräten gezielte Reize setzen, wodurch eine Kräftigung erreicht werden kann. Der Erfolg von Atemmuskeltraining ist besonders im Bereich der COPD gut untersucht. Eine systematische Übersicht der vorhandenen Studien aus 2008 (Geddes, O‘Brien, Reid, Brooks, Crowe; 2008) zeigt, dass das gezielte Training die Atemmuskulatur in Kraft und Ausdauer signifikant steigert, eine Leistungsverbesserung hervorruft, die Lebensqualität verbessert und auch die Dyspnoe von Erwachsenen mit stabilem COPD lindert. Das Atemmuskeltraining hat sich folglich als fester Bestandteil der COPD-Behandlung etablieren können.

Atemmuskeltraining sorgt für eine gestärkte, ausdauernde Atemmuskulatur und verbesserte Atemtechnik.
Asthma und cystische Fibrose weniger gut erforscht

Zwei weitere Lungenerkrankungen, bei denen die Effekte von Atemmuskeltraining untersucht wurden, sind Asthma und die cystische Fibrose (CF). Bei beiden Krankheiten ist der Einsatz von Atemmuskeltraining zur Therapie jedoch weit weniger erforscht als bei COPD. Dies aus unterschiedlichen Gründen. Obwohl Asthma gemäß der WHO mit ca. 235 Millionen Betroffenen ebenfalls zu den weltweit häufigsten chronischen Krankheiten gehört, ist hier der Grund für die dünnere Studienlage, dass einerseits – anders als bei COPD – die medikamentöse Behandlung in den meisten Fällen die gewünschte Wirkung erzielt und andererseits der zusätzliche Aufwand eines Atemmuskeltrainings gescheut wird. Bei CF ist der Einsatz von Atemmuskeltraining schlichtweg deshalb weniger erforscht, weil die Krankheit eine viel kleinere Zahl an Betroffenen aufweist. Mit ca. 70 000–100 000 betroffenen Kindern und jungen Erwachsenen weltweit tritt die Krankheit bei rund dreitausendmal weniger Menschen im Vergleich zu COPD oder Asthma auf.

Asthma

Das Asthma bronchiale ist eine chronische, entzündliche Erkrankung der Atemwege. Allergien stellen die häufigste Ursache des Asthmas im Kindes- und Jugendalter dar und sind auch im Erwachsenenalter häufig. Der Verlauf der Erkrankung kann zusätzlich durch Klimaveränderungen und psychische Faktoren beeinflusst werden. Wichtige exogene Auslöser sind u. a. Umweltallergene (Hausstaub, Pollen), Toxine, Luftverschmutzung oder Atemwegsinfekte.

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Bei CF und Asthma kommen die systematischen Studienübersichten (Silva, Fregonezi, Dias, Ribeiro, Guerra, Ferreira; 2013 und Stanford, Ryan, Solis-Moya; 2020) zu dem Schluss, dass keine schlüssigen Beweise vorliegen, die eine Wirksamkeit des Atemmuskeltrainings aufzeigen können. Jedoch ist dies nicht in erster Linie auf die Wirkungslosigkeit der Intervention zurückzuführen. Die Uneinheitlichkeit der relativ wenigen Studien trägt vielmehr dazu bei, dass kein abschließendes Statement abgegeben werden kann. Aus jahrelanger praktischer Erfahrung ist bekannt, dass zahlreiche Betroffene von großen Fortschritten und besserem Wohlbefinden nach der Durchführung eines regelmäßigen Atemmuskeltrainings berichten. Wie bei COPD-Betroffenen bereits geschehen, sollte diese subjektive Wahrnehmung auch bei weiteren Lungenerkrankungen durch zusätzliche Studien erhärtet und ein Atemmuskeltraining in die Therapien eingebaut werden.

Fazit

Die Studienlage zeigt, dass ein Atemmuskeltraining bei verschiedenen Lungenerkrankungen eine sinnvolle und hilfreiche Therapiemethode sein kann. Gerade bei Patienten, die auf eine medikamentöse Behandlung verzichten möchten oder diese ergänzen wollen, sollte der Einsatz von Atemmuskeltraining genauer evaluiert werden. Unterschiedliche Trainingsformen lassen sich an die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen anpassen, wodurch maximale Therapiefortschritte erzielt werden können. Der technische Fortschritt, der bei den Atemmuskeltrainingsgeräten in den vergangenen Jahren stattfand, ist beträchtlich. Die Geräte sind handlich, ohne spezielle Vorkenntnisse einsetzbar und nicht mit hohen Anschaffungskosten verbunden, was hoffentlich dazu beiträgt, dass das Training zukünftig vermehrt in die Therapie dieser Lungenerkrankungen eingebaut wird.

Dieser Text wurde im Februar 2022 in der bodyLIFE MEDICAL veröffentlicht.

Mehr zum Idiag P100, welcher Atemmuskeltraining in verschiedenen Modi ermöglicht, finden Sie hier: http://www.idiag.ch/idiag-p100/